Ecohybrid – multifunktionaler Gewerberaum in kreislauffähiger Holz- & Stampflehmbauweise

Das Bauwesen und der Betrieb von Immobilien stellt mit einem Anteil von 40% an den CO2-Emissionen in Deutschland ein großes Potenzial zur Einsparung dar. Die stoffliche, möglichst dauerhafte Verwendung nachwachsender und kreislaufeffizienter Rohstoffe bei Bau- und Sanierungsvorhaben leistet einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Die Verwendung klimafreundlicher Substitute für energieaufwendig herzustellende Baumaterialien hat einen positiven Effekt auf die Minderung von CO₂-Emissionen. 

Das Bauen mit Lehm ist eine Jahrtausende alte Technik, die weltweit in verschiedensten Kulturkreisen historisch verankert ist. Viele Aspekte dieser traditionellen Fertigungstechnik werden im Zuge der sogenannten „Materialwende“ im Bauwesen und dem damit einhergehenden Bewusstseinswandel beim Bauen wiederentdeckt und neu interpretiert. Die Substitution von energieintensiven und mineralischen Baustoffen wie Beton und Stahl sollen durch klimafreundliche, natürliche Produkte wie z.B. Holz oder Lehm ersetzt werden. 

Baustellenabfall als Ressource: Stampflehm aus Aushub

Der handgelesene "Rheinhessenlehm" für die Trennwände der beiden Nutzungseinheiten.

Im Projekt „Ecohybrid“ wagte sich ein Bauherr eines Wohn/- Gewerbebaus an die kombinierte Bauweise Stampflehm und Holz und sammelt so wertvolle Erfahrung in der Gewinnung, Verarbeitung und Einsatzfähigkeit des traditionellen Baustoffs Lehm.

Dazu wurde das Grundmaterial für die Stampflehmelemente in den lokalen Böden „geerntet“. Das eigentlich für die Entsorgung vorgesehene Aushubmaterial von diversen Baustellen im Umland wurde direkt vor Ort aufbereitet und schichtweise zu Stampflehmquadern verdichtet bzw. gestampft. Aus den vorgefertigten Quadern entstanden die Trennwände der beiden Nutzungseinheiten des Bauvorhabens. Direkt an die neun Meter breite und sechs Meter hohe Stampflehmwand schließt sich der multifunktionale Gewerberaum an.

Materialversuche für die Druckfestigkeit und Rohdichte an der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau

Dieser soll zukünftig unter anderem für Lehr- und Vortragsveranstaltungen rund um das Thema „ökologisches Bauen“ genutzt werden. Die massiven Stampflehmwände an den Stirnseiten des Multifunktionsraums schaffen ein ideales Raumklima. Die Seitenwände des Raums werden aus leim- und eisenfreien Massivholzwänden hergestellt. Völlig ohne Verbundwerkstoffe entsteht mit dem „Ecohybrid“ ein Leuchtturmprojekt für kreislauffähiges Bauen in Rheinland-Pfalz. Als weiteres Innovationsmerkmal kann die Bauteilaktivierung der Massivholzdecke über dem Dachgeschoss genannt werden: das Cradle-to-Cradle Trockenestrichsystem mit ungebrannten Lehmsteinen (sog. „Grünlinge“) funktioniert hierbei als Massespeicher. Das System kommt ohne Schüttung und Trockenzeiten aus. Dieses System wurde von der Bad Kreuznacher Firma „Lithotherm“ entwickelt und wurde erfolgreich auch für Mehrparteienprojekte (Wohnungs- und Hotelbau) schallschutztechnisch zertifiziert.

Klimagerechtes Bauen: Passive Regulierung, CO₂-Reduktion und zirkuläre Materialnutzung

Nutzungsbereiche und Bauabschnitte: Synergien in baulicher Umsetzung und späterer Nutzung

Die hohe Masse und Speicherfähigkeit der Stampflehmwand macht das Material zum idealen Klimaregulator innerhalb eines Bauprojekts. Durch das Stampfen des Rohmaterials und die dadurch einhergehende massive Bauweise entsteht ein charakteristisches Gebäudeelement, das die Raumtemperatur und -feuchte passiv regelt und optimiert. In Kombination mit einer schadstofffreien Massivholzkonstruktion entsteht ein Gebäude mit geringem CO2-Fußabdruck. Auch die Rückbaubarkeit wurde mitgedacht, sodass viele eingesetzte Produkte später sortenrein trennbar oder zerlegbar sind.

Das Dach des Gewerberaums wird als begrünte Fläche, also Dachgarten genutzt und bindet somit das anfallende Regenwasser ideal in die Gebäudenutzung mit ein. Durch die intensive Begrünung wird der sommerliche Wärmeschutz des Gesamtvorhabens entscheidend optimiert. Großflächige PV-Elemente auf den Dach- und Carportflächen machen das Gebäude nahezu energieautark und ermöglichen zukünftig die optimale Versorgung der E-Mobilitäts-Infrastruktur für die Nutzerinnen und Nutzer.

Im Projekt „Ecohybrid“ vernetzt sich internationale Expertise im Bereich des „ökologischen Bauens“ und der „Wohngesundheit“ mit den lokalen Fachunternehmen. Im konstruktiven Austausch vor und während der Umsetzung entsteht ein enormer Wissenstransfer für alle Projektbeteiligten, der weit über die ohnehin vorhandene ideelle Exklusivität des Vorhabens hinaus geht. Zwischen Experiment, Rückbesinnung und Pionierprojekt setzt das Vorhaben „Ecohybrid“ neue Maßstäbe für nachhaltiges Bauen in der Region.

Steckbrief:

Projekt: Ecohybrid Rheinhessen

Standort: Nieder-Olm

Bauherr: Max Palka

Planender Architekt: Dipl.-Ing. Timm Helbach / mamuth

Projektziele:

  • Einsatz regional gewonnener Stampflehmmaterialien zur Herstellung klimafreundlicher Bauteile und zur Reduktion von CO₂-Emissionen
  • Aufbau und Vermittlung von Wissen zu ökologischem Bauen im Prozess und durch einen multifunktionalen Lehr- und Demonstrationsraum