Dr. Karl-Heinz Frieden: „Kurze Transportwege sind ein entscheidender Hebel, um den CO2-Fußabdruck von Produkten und Gebäuden zu verbessern.“

Der Klimaschutz und die Schaffung von neuem Wohnraum sind zwei aktuelle und zentrale Themen für Städte und Gemeinden. Was können Kommunen im Baubereich tun, um das Klima zu schützen und welche Rolle spielen dabei kurze Transportwege und Lieferketten bei der Beschaffung von Holzprodukten? Darüber sprachen wir mit Dr. Karl-Heinz Frieden, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Gemeinde- und Städtebundes Rheinland-Pfalz (GStB RLP) und Dr. Philipp Strohmeier und Dr. Gabriele Bruckner von der gemeinnützigen Initiative und dem Umweltlabel HOLZ VON HIER (HvH). Das Umweltlabel wird im Rahmen des „Klimabündnis Bauen“ in Rheinland-Pfalz eingeführt.

Dr. Karl-Heinz Frieden, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Gemeinde- und Städtebundes Rheinland-Pfalz (GStB RLP)

Herr Dr. Frieden, der Klimawandel ist in vollem Gange und für uns alle spürbar. Wie wirkt sich der Klimawandel bereits heute auf die Kommunen aus?

Dr. Frieden: „Der Klimawandel stellt Kommunen gleich in vielerlei Hinsicht vor Herausforderungen. Steigende Temperaturen führen dazu, dass sich gerade die Städte im Sommer sehr stark aufheizen, was bei den Bürgern zu gesundheitlichen Problemen führen kann. Ein zweiter Punkt ist das Thema Wasser. Hier müssen wir uns sowohl auf Starkregenereignisse vorbereiten als auch auf Trockenphasen. Wir haben zwar insgesamt keine Wasserknappheit in Rheinland-Pfalz aber wir müssen überregionale Verbundnetze schaffen, um die Wasserversorgung auch in heißen Sommern zu sichern und das Wasser dorthin transportieren zu können, wo es gerade gebraucht wird. Das Thema Waldbrände hat ebenfalls eine große Bedeutung bekommen. Auch hier müssen Kommunen als Waldbesitzende entsprechende Vorsorgemaßnahmen treffen.“

Neben dem Klimawandel gibt es aktuell noch ein zweites großes Thema für Kommunen, nämlich den Bau von neuen Wohnungen sowie die Sanierung von Bestandsgebäuden. Was können Kommunen im Baubereich tun, um das Klima zu schützen?

Dr. Frieden: „Eine sinnvolle Maßnahme, um das Klima zu schützen, ist das Bauen mit Holz. Holz ist nicht nur ein klimaneutraler, nachwachsender und nachhaltiger Baustoff, sondern auch ideal, um schnell und flexibel neuen Wohnraum zu schaffen – sei es durch Aufstockung, Nachverdichtung oder die Errichtung neuer Gebäude in Modulbauweise. Im Vergleich zu anderen Baustoffen fällt bei seiner Produktion zudem kein klimaschädliches CO2 an. Gerade für Kommunen bietet der Baustoff Holz also enorme Vorteile – auch beim Thema Sanierung. So lassen sich heute Bestandsgebäude durch vorgefertigte, vorgehängte Holzmodule für Fassaden oder Dächer schnell und in Serie sanieren. Der hohe Vorfertigungsgrad und die kurzen Montagezeiten führen zudem zu einer besseren Kostensicherheit. Viele Verwaltungsgebäude, Schulen, Kitas, Studierenden- oder Flüchtlingswohnheime werden deshalb zu Recht in Holzbauwiese realisiert.“

Wo sehen Sie aktuell noch Hemmnisse beim Bauen mit Holz? 

Dr. Frieden: „Ein Hemmnis im Holzbau sind sicherlich noch vorhandene Wissensdefizite über die Eigenschaften und Potenziale dieses natürlichen Baustoffes – und zwar sowohl auf Seiten der Planer und Bauherren als auch bei den Entscheidern, die ein solches Bauvorhaben genehmigen. Hier braucht es eine bessere Aus- und Weiterbildung sowie einen stärkeren Wissensaustausch darüber, welche Hölzer für welche Einsatzzwecke geeignet sind. Vor dem Hintergrund des Klimawandels und des damit verbundenen Waldumbaus werden z.B. auch Laubhölzer noch eine wichtige Rolle im Baubereich spielen. Da diese konstruktiv ganz andere Eigenschaften als Nadelhölzer besitzen, braucht es hier weitere Forschungs- und Modellvorhaben sowie daraus resultierende Anpassungen rechtlicher Rahmenbedingungen um das Bauen mit Laubhölzern zu fördern Ich glaube wirklich, dass Holz der Baustoff ist, der uns bei der Lösung der aktuellen Herausforderungen – vom Klimawandel über die Schaffung von Wohnraum – enorm helfen kann.“ 

Worauf sollten Kommunen bei der Ausschreibung und Beschaffung von Holz und Holzprodukten achten?

Dr. Frieden: „Ein wichtiges Kriterium bei der Beschaffung von Holz- und Holzprodukten sollten möglichst kurze, regionale Lieferketten sein. Kurze Transportwege sind ein entscheidender Hebel, um den CO2-Fußabdruck von Produkten und Gebäuden zu verbessern. Hinzu kommt, dass viele Kommunen selbst Wald besitzen. Die Nutzung regionaler Holzressourcen stärkt also auch die regionale Wertschöpfungskette. Im Idealfall wird das Holz für einen Kitaneubau im kommunalen Wald geerntet, in den Betrieben der Region weiterverarbeitet und von regionalen Zimmerleuten auf der Baustelle zusammengebaut. Dies wird nicht immer möglich sein, aber heimisches Rundholz erst nach Asien zu exportieren um es anschließend in Form von in Plastik verpackten Holzwerkstoffen wieder zu importieren, ist weder für unsere heimische Wirtschaft noch das Klima gut. Kurze Transportwege und Lieferketten sind also die zentralen Kriterien, wenn wir die heimische Forst- und Holzwirtschaft fördern sowie das Klima schützen wollen.“

v.l.n.r. Dr. Karl-Heinz Frieden (GStB RLP) im Gespräch mit Dr. Gabriele Bruckner und Dr. Philipp Strohmeier (Holz von Hier)

Herr Dr. Strohmeier, das Umweltzeichen HOLZ VON HIER (HvH) soll dabei helfen, Holzprodukte mit besonders klimafreundlichen und kurzen Transportwegen zu erkennen.  Welchen Anteil haben die Transportwege und Lieferketten an der Klimabilanz von Produkten und Gebäuden?

Dr. Strohmeier: „Die Lieferkette und die darin enthaltenen Transportwege sind entscheidend für die CO2-Bilanz eines Holzproduktes. Holz wächst zwar klimaneutral im Wald, wird es danach allerdings um den halben Globus transportiert, ist die positive Klimabilanz schnell aufgebraucht. Dies wirkt sich auch die CO2-Bilanz eines Gebäudes aus. Da Neubauten heute bereits sehr energieeffizient sind, steigt die Bedeutung der Grauen Energie und damit auch der Herstellung und der Vor- und Lieferketten von Bauprodukten. Kommt das Holz für ein Einfamilienhaus beispielsweise aus Russland, machen die Transportemissionen ein Viertel der gesamt CO2-Bilanz eines Holzgebäudes aus. Kommt das Holz aus der Region, liegt der Anteil der Transportemissionen bei nur circa einem Prozent. Die Herkunft des Holzes spielt also eine ganz wichtige Rolle bei der Klimabilanz eines Gebäudes. Das Umweltzeichen HOLZ VON HIER hilft Bauherren dabei, die Herkunft und die CO2-Bilanz entlang der gesamten Lieferkette eines Holzproduktes zu erkennen. Für Gebäude gibt es seit kurzem außerdem einen Gebäudepass, der die CO2-Bilanzen der Holzprodukte, die in einem Gebäude verbaut wurden, erfasst und mit den Werten eines Referenzgebäudes vergleicht.“ 

Frau Dr. Bruckner, warum sollten Städte und Gemeinden bei der Vergabe von Bauleistungen und Materiallieferungen das Umweltzeichen HOLZ VON HIER als Kriterium in ihre Ausschreibungsunterlagen mit aufnehmen?

Dr. Bruckner: „Mit Hilfe des Umweltzeichens HOLZ VON HIER können Kommunen klimafreundliche Holzprodukte in der Ausschreibung von Vergabeleistungen verankern und hierdurch einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Das Zertifikat schafft Transparenz, indem es die gesamten Stoffströme entlang der Lieferkette eines Holzproduktes erfasst. Mit dem HvH-Zertifikat können Kommunen zudem selbst Einfluss auf die Holzherkunft zu nehmen. Zwar konnten Kommunen Bietern bisher vorgeben, dass das Holz aus einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung (nachweisbar z.B. über das PEFC- und FSC-Siegel) stammen muss, auf die tatsächliche Holzherkunft und die Länge der Lieferkette hatten Städte und Gemeinden bisher jedoch keinen Einfluss. Dies ist nun möglich. Anhand des HOLZ VON HIER Zertifikates können Kommunen in Echtzeit die gesamte Lieferkette eines Produktes nachverfolgen. Das Umweltzeichen ist vergabekonform gemäß ISO 14024, der Produktkettennachweis entspricht der ISO 38200 und ist damit auch ein zulässiger Nachweis für Holz aus nachhaltiger Waldbewirtschaftung.“ 

Gibt es überhaupt genügend regionale Anbieter, die HOLZ VON HIER-zertifizierte Produkte anbieten? 

Dr. Strohmeier: „Hinter HOLZ VON HIER (HvH) steht eine wachsende Anzahl an Betrieben und Unternehmen aller Sparten und Größen. Das Angebot der Produkte mit HvH-Zertifikat reicht von klassischem Bauholz und Bauelementen über Holz für den Innenausbau und Möbelbau, Energieholz wie Pellets, Holzreste oder Hackschnitzel bis hin zu Produkten der Papierindustrie.“

Dr. Bruckner: „HOLZ VON HIER ist ein Lieferkettennachweis und kein Zertifikat für holzverarbeitende Betriebe. Das Zertifikat gilt für ein konkretes Produkt und dessen Lieferkette in einem konkreten Bauvorhaben. D.h. wenn in einer kommunalen Ausschreibung HOLZ VON HIER als Produktkettennachweis gefordert wird, ist es für einen Betrieb kein Problem sich und sein Produkt innerhalb von 2-3 Tagen im System zu registrieren. Die grundlegenden Kriterien müssen natürlich erfüllt sein, aber es ist nicht so, dass der komplette Betrieb zuvor in einem aufwendigen Verfahren zertifiziert werden muss.

Damit können Kommunen bedenkenlos HvH-zertifizierte Produkte ausschreiben, auch wenn in ihrer Region noch nicht viele oder keine Unternehmen registriert sind.“

Weiterführende Infos für Kommunen

Kommunen, die das Umweltzeichen HOLZ VON HIER als Vergabekriterium in ihre Ausschreibungsunterlagen mit aufnehmen möchten, finden auf den Webseiten www.holz-von-hier.eu und www.holz-kommunal.de umfassende Informationen und Hilfestellungen zur Anwendung des Umweltlabels und zum Thema regionale Lieferketten. Der Helpdesk beinhaltet dabei Rechtsgutachten, Praxisbeispiele, Leitfäden, Mustertexte, Umweltinformationen, Tools und Kommunikationshilfen.