Interview mit der neuen Bundesbauministerin Verena Hubertz

Das Klimabündnis Bauen Rheinland-Pfalz interviewt immer wieder interessante Persönlichkeiten, die sich für nachwachsende und kreislaufeffiziente Rohstoffe im Baubereich stark machen. Diesmal im Interview: Die neue Bundesbauministerin Verena Hubertz.

Bereits als Bundestagsabgeordnete haben Sie sich intensiv für den Holzbau in der Region Trier und für die dann gegründete "Schwerpunktregion Holzbau - Trier" eingesetzt. Woher kommt Ihre Leidenschaft für den Baubereich und insbesondere für den Holzbau?

Am Anfang ging es nicht um meine persönliche Leidenschaft für das Bauen mit Holz, die hat sich erst mit der Zeit entwickelt. Auslöser für die Initiative „Schwerpunktregion Holzbau“ war meine Aufgabe als stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD Bundestagsfraktion für den Bereich Bauen und Wohnen. Dieser Bereich ist sehr wichtig, weil er das tägliche Leben der Menschen direkt betrifft. 

Ich habe mir dann angeschaut, welche großen Themen unsere Region Trier und Trier-Saarburg prägen – zum Beispiel Klimaschutz, Digitalisierung und Regionalität. Dabei habe ich zunächst nicht speziell an Bauen oder Holz gedacht. Aber bei dieser Analyse wurde klar: Der Holzbau bietet große Chancen für unsere Region, für die Umwelt und für die Wirtschaft. 

Rheinland-Pfalz ist im Vergleich das waldreichste Bundesland. Schon allein dadurch hat unsere Region viele Stärken in diesem Bereich: eine starke Holzindustrie, innovative Handwerksbetriebe, eine Hochschule mit spannenden Forschungsprojekten und viel Wald als nachhaltige Ressource. Daraus kann sich eine gute Zukunft für das Bauen entwickeln.

 

Wo sehen Sie derzeit die größten Chancen und auch Herausforderungen für den Holzbau in Deutschland und insbesondere in der Region Trier?

Die besten Chancen sehe ich darin, dass immer mehr Menschen nachhaltige Baustoffe wie Holz gut finden. Und dass die Technik im Holzbau immer besser wird. So kann man schneller und effizienter bauen. Unsere Region Trier hat dafür gute Voraussetzungen: Es gibt viele innovative mittelständische Betriebe in der Holzindustrie und im Holzbau – und das Holz kommt direkt aus der Umgebung.

Aber es gibt auch Herausforderungen. Aktuell liegt der Anteil der Holzbauten bei Wohngebäuden bei 22 Prozent. Das kann sicherlich noch mehr sein, aber Bürokratie bremst oft und es fehlen Fachkräfte. Außerdem muss der Holzbau noch stärker in öffentlichen Bauprojekten und bei privaten Bauherren zum Einsatz kommen. Wichtig ist auch, dass die Qualität beim Bauen mit Holz stimmt, das Projekt sich dafür eignet und dass die Produktion mit der steigenden Nachfrage mithalten kann.

 

Welche Ideen gibt es von Ihrer Seite zur Förderung des Holzbaus oder auch anderer klimafreundlicher Baustoffe?

Klimafreundliche Baustoffe sind schon verfügbar. Bauen mit geringen Umweltwirkungen und Ressourcenverbräuchen ist bereits möglich. Oft wird aber konventionell gebaut. Die Gründe dafür sind vielfältig. Unsere Holzbauinitiative knüpft daran an und unterstützt die Länder dabei, dem Holzbau geeignete Rahmenbedingungen zu geben. 

Wesentlich für die Bundesregierung ist auch die Schaffung eines „Level-Playing-Fields“ für den Baustoff Holz im Hochbau. Hindernisse für den Holzbau sollen ausgeräumt und damit der Einsatz des Baustoffs vereinfacht werden. Auch die Sensibilisierung der Bauherren und Architekten für die Vorteile des Holzbaus ist ein wichtiger Baustein.

Wir haben bereits Förderprogramme, die den Einsatz nachhaltiger Baustoffe attraktiver machen. Zudem wollen wir die Forschung und Entwicklung im Bereich innovativer, klimafreundlicher Baustoffe stärken und die öffentliche Hand als Vorbild beim Einsatz nachhaltiger Materialien gewinnen. Nun wollen wir mit einem Aktionsplan für klimafreundliche Baustoffe unsere Aktivitäten weiter ausbauen. 

Bezahlbarer Wohnraum - insbesondere in Ballungsgebieten wie z.B. Trier - ist eine große Herausforderung unserer Zeit. Welche Möglichkeiten sehen Sie diese Herausforderung ggf. mit dem Holzbau zu lindern?

Das Bauen mit Holz kann hier mit seinem enormen Potenzial beim seriellem, modularem und systemischem Bauen Teil der Lösung sein. Kurze Bauzeiten, hohe Termin- und Kostensicherheit und vor allem auch kostengünstiges Bauen werden so Realität. Ich sehe es sehr positiv, dass der Holzbau neben dem Einsatz im Ein- und Zweifamilienwohnhausbau mittlerweile auch im Bereich achtgeschossiger Wohngebäude oder ganzer Quartiere in unseren Städten angekommen ist.

Und besonders für Trier gilt: Holzbau ist vor allem dann gut, wenn er aus regionaler Wertschöpfung stammt.

 

Wie in vielen Branchen fehlen auch im Holzbau Fachkräfte. Wie könnte das Handwerk für Nachwuchskräfte wieder attraktiver werden?

Der Beruf des Zimmerers und Holzbauers hat auf jeden Fall Zukunft. Das müssen wir auch so zeigen. Die Ausbildung sollte modern, praxisnah und spannend gestaltet sein, damit junge Leute Lust bekommen, in diesen Beruf einzusteigen.

Wichtig ist auch: Wir müssen mehr darüber sprechen, wie vielseitig und innovativ der Holzbau ist. Das geht zum Beispiel durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit. Viele wissen gar nicht, welche tollen Karrierewege es hier gibt – nicht nur im Handwerk, auch in der Planung und in der Forschung. 

Wenn Schulen, Hochschulen und Betriebe enger zusammenarbeiten und es gute Angebote zur Weiterbildung gibt, können wir mehr Menschen für den Holzbau begeistern und so dem Fachkräftemangel gezielt begegnen.

 

Nach Meinung von "Architects for Future" wird in Deutschland vorschnell und viel zu viel abgerissen. Brauchen wir ein Abrissmoratorium?

Der Erhalt und die Weiternutzung bestehender Gebäude ist oft die nachhaltigste Lösung. Deshalb ist Erhalt vor Abriss für uns ein wichtiges Prinzip.

Ein pauschales Abrissmoratorium halte ich aber nicht für zielführend. Denn jeder Fall ist anders. Etwa wenn Gebäude energetisch kaum sanierbar, baurechtlich problematisch oder aus sozialen Gründen nicht mehr tragfähig sind.

 

Wie sollte der Gebäudebestand nach Ihren Idealvorstellungen im Jahre 2100 aussehen?

Meine Idealvorstellung vom Gebäudebestand im Jahr 2100 ist klar: Er ist klimapositiv, nachhaltig und trägt zur sozialen Gerechtigkeit bei. Wir haben dann einen Bestand, der mehr CO₂ speichert, als er verursacht, z. B. durch Materialien wie Holz und andere nachwachsende oder recycelte Baustoffe. Gebäude werden so gebaut, dass sie lange halten, sich verändern lassen, rückbaubar sind – und auch noch für unsere Kinder und Enkel funktionieren.

Im Jahr 2100 wohnen wir nicht nur nachhaltiger, sondern auch gerechter: Unsere Gebäude sind energieeffizient, gesund, bezahlbar und barrierefrei. Wir leben und bauen in Kreisläufen. Sowohl bei den Materialien, als auch im gesellschaftlichen Miteinander.

 

Die neue Bundesregierung möchte die Bürokratie abbauen. Bei der Entbürokratisierung von Baugenehmigungsprozessen wird häufig übersehen, dass zahlreiche Standards nicht durch den Gesetzgeber, sondern beispielsweise durch Normungsgremien vorgegeben werden (Beispiel: Vorgabe wieviel Steckdosen ein Wohnzimmer haben muss.) Wie könnte eine Entbürokratisierung erfolgen?

Mein Zauberwort dafür ist der Gebäudetyp E. E steht für einfach, experimentell oder gerne auch entbürokratisiert. Mit ihm wollen wir erreichen, dass Bauen kostengünstiger und einfacher wird, indem sich die zwei Vertragspartner darauf verständigen, welchen Standard sie realisieren wollen und worauf sie verzichten können. Das betrifft natürlich nicht die sicherheitsrelevanten Standards. 

Normen sind aber natürlich nur das eine. Wir sehen auch bei uns Ansätze, das Bauen zu erleichtert. So etwa mit dem Bau-Turbo meines Hauses, der sich aktuell im parlamentarischen Verfahren befindet und dafür sorgt, bei der Schaffung zusätzlicher Baurechte für neue Wohnungen Tempo zu machen, wenn die Kommune das will. Unser Ziel für diese Legislaturperiode ist klar: Weniger Aufwand, mehr Tempo, aber ohne Abstriche bei Sicherheit oder Qualität.

Weiterführende Infos

Die Ministerin wird auch beim Trierer Waldforum am 29. August 2025 in Trier zu Gast sein. Mehr Infos zu der Veranstaltung finden Sie hier.