Castanea Sativa Cabin

Der Pfälzerwald ist das größte zusammenhängende Waldgebiet in Deutschland. Mit seinen 7.000 Kilometern Wanderwegen lockt er als UNESCO- Biosphärenreservat viele Touristinnen und Touristen. Diese sind von zahlreichen, oft ehrenamtlich errichteten Schutzhütten gesäumt sind, die mittlerweile in die Jahre gekommen und sanierungsbedürftig sind oder aus Sicherheitsgründen vor dem Abriss stehen. Um die Erholungsinfrastruktur im Pfälzerwald zu erhalten und eine „Willkommenskultur Wald“ zu etablieren, sollen diese Schutzhütten künftig saniert werden.

Das Projekt "Forest Cabins"

Das Projekt „Forest Cabins“ entstand als Ideenwettbewerb im Rahmen des Lehrstuhls für digitale Holzbauweise (DTC) der Technischen Universität Kaiserslautern, unter der damaligen Leitung von Prof. Dr.-Ing. Robeller, und widmete sich dieser Aufgabe. Das Projekt arbeitet eng mit den Landesforsten Rheinland-Pfalz zusammen, vertreten durch das forstliche Infozentrum „Haus der Nachhaltigkeit“ in Johanniskreuz, und dem Klimabündnis Bauen in Rheinland-Pfalz.

Am Beispiel von sieben Hütten im Biosphärenreservat Pfälzerwald aus den 1960er und 1970er Jahren, haben sich über 70 Studierende dem Ideenwettbewerb gestellt und insgesamt elf innovative Konzepte für den zeitgemäßen und innovativen Ersatz der Schutzbauten entwickelt. Die neuen Schutzhütten sollten sowohl als Wetterschutz und Rastplatz als auch als Informationspunkt und Ausflugsziel dienen. 

In ihren Entwürfen setzten die Studierenden besonders auf heimische Hölzer und andere natürliche Materialien. Die Möglichkeiten der digitalen Fertigung, die Biodiversität der deutschen Wälder und die Vielfalt der heimischen Holzarten mit ihren besonderen Eigenschaften standen dabei im Vordergrund. 

Eine beispielhafte Schutzhütte

Eine bereits realisierte Schutzhütte des Projektes ist der „WoodStop“, der nun im Forstamt Annweiler entlang des Prädikatswanderweges "Keschde-Erlebnis-Weg" den Waldbesucherinnen und Waldbesuchern Schutz und Information bietet. Sie besteht aus dem Holz der Esskastanie, regional auch „Keschde“ genannt, die bisher nur selten als Baumaterial im Hochbau verwendet wurde. Diese Baumart kommt im Forstamtsbezirk Annweiler auf über 700 Hektar vor und wurde regional und nachhaltig bezogen, verarbeitet und verbaut. Neben den besonders kurzen Transportwegen besitzt die Esskastanie eine natürliche Dauerhaftigkeit und ist daher als „Außenholz“ besonders geeignet.

Die Konstruktion der Hütte basiert auf einer modernen Neuinterpretation der Zollingerbauweise, die nach dem Ersten Weltkrieg von Friedrich Zollinger für materialsparende Dachkonstruktionen entwickelt wurde. Das Zollingerdach mit seiner gekrümmten, freitragenden Gitter-Schalen-Konstruktion aus Kurzholz spart im Vergleich zu anderen Dachkonstruktionen 30 bis 40 Prozent Baumaterial ein. Durch die typisierten Abmessungen der einzelnen Dachlamellen ist die Vorfertigung außerorts in großen Stückzahlen möglich.

Prof. Dr.-Ing. Robeller hat in enger Zusammenarbeit mit der lokalen Holzbaufirma CLTech eine Software entwickelt, mit der die sehr kurzen Elemente, die oft Produktionsreste sind, durch kraftschlüssige Verbindungen eine durchgehende Tragfähigkeit erhalten. Da aufgrund des hohen Säuregehalts des Kastanienholzes die üblichen Stahlverbinder korrodieren würden, fügen hier traditionelle Schwalbenschwanzverbindungen die Lamellen völlig metallfrei zusammen. Die Software ermittelt sowohl die für die Konstruktion notwendigen Einzelteile und deren korrekte Verbindung, als auch die Daten für den Produktionsablauf der digitalen Fertigung, z.B. für die CNC-Fräsen. So musste die Wetterschutzhütte vor Ort nur noch aus vorgefertigten Holzelementen zusammengesetzt werden. Ein Schindelboden sowie ein Holzdach, beides ebenfalls aus Kastanienholz, machen die Hütte komplett.

Was diese Wetterschutzhütte ihren Vorgängern voraus hat: Recycling nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip ist hier möglich. So können die verwendeten Materialien vollständig und umweltschonend in den natürlichen Kreislauf zurückgeführt oder für neue Bauprojekte wiederverwendet werden.

Weiterführende Infos
Weitere Informationen zu Forest Cabins finden Sie in dieser Broschüre und auf der Website von Prof. Dr.-Ing. Robeller

Und in diesem Interview erläutert Prof. Dr.-Ing. Robeller, wie digitale Holzbauweisen und regionale Materialien den Klimaschutz im Bau voranbringen.

Steckbrief:

Projekt: Castanea Sativa Cabin / WoodStop

Standort: Forstamt Annweiler am Zollstock

Bauherr: Landesforsten Rheinland-Pfalz

Planung und Betreuung: Prof. Dr.-Ing. Christopher Robeller & CLTech Hightech Holzbau

Unterstützt durch: Landesforsten RLP, Hans Hundegger AG, Holzbaucluster RLP

Projektlaufzeit: 2019 - 2024

Gefördert durch: Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität (über das Förderprogramm Klimabündnis Bauen)

Projektziele:

  • Erhaltung der Erholungsinfrastruktur im Pfälzerwald durch die Sanierung und teilweisen Ersatz der bestehenden Wetterschutzhütten
  • Verwendung & Erforschung der regionalen Esskastanie als Bauholz im Hochbau, um diese als klimabeständige Alternative zu Laubhölzern zu etablieren
  • Nutzung & Ausbau der digitalen Fertigung durch Computational Design and Fabrication