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Forsthof Annweiler: Konstruktiver Einsatz von Edelkastanienvollholz in einem Tragwerk mit großer Spannweite
Die Stadt Annweiler am Trifels ist mit ihrem Stadtwald und einem Waldbesitz von rund 2.200 Hektar der siebtgrößte kommunale Waldbesitzer in Rheinland-Pfalz. Auf dieser Waldfläche befindet sich ein überregional bedeutsamer Edelkastanienanteil. Bedingt durch den Klimawandel wird diese wärmeliebende Baumart in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Das Holz der Edelkastanie bringt von Natur aus sehr gute Materialeigenschaften und hohe Festigkeitswerte mit sich, jedoch fehlen Erfahrungswerte in einigen technischen Belangen, da das Holz durch die Härte und den Säuregehalt schwierig in der Verarbeitung ist.
Von Vorteil ist der hohe Gehalt an Tanninen (Gerbstoffen), der für eine hohe Dauerhaftigkeit im Außenbereich sorgt. Allerdings sorgen ebendiese Tannine auch dafür, dass Metalle korrodieren, wie beispielsweise Schrauben und Nägel. Dies kann man vermeiden, in dem man Edelstahl verwendet, im Innenbereich reicht auch eine Verzinkung. Möchte man diese Laubholzart vermehrt als Bauholz etablieren, gilt es mittels konkreter Modellprojekte diese Erfahrungslücken zu schließen. Ein interessanter Weg können dabei Holz-Holz-Verbindungen sein, die beim Neubau des Forsthofs in Annweiler erstmals auch aus Edelkastanienholz gefertigt und verbaut wurden.
Innovativer Dreigelenkrahmen ermöglicht Tragwerk mit großer Spannweite
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Mit dem Bau der neun Meter hohen Halle des Forsthofs, dessen Tragwerk eine Spannweite von 20 Metern umfasst, wurde „konstruktives Neuland“ betreten, da es aktuell schlicht an einer einheitlichen Normierung in Deutschland fehlt. Für die statische Bemessung wurde die Festigkeitsklasse D24 angesetzt. Um die Festigkeiten zu verifizieren, wurden entsprechende Materialprüfungen an der RPTU Kaiserslautern-Landau vorgenommen. Die Prüfungen haben gezeigt, dass die Holzfestigkeiten der eingesetzten Edelkastanie deutlich höher sind als die angenommene Festigkeitsklasse D24. Die Werte liegen zudem weit über denen von herkömmlichen im Holzbau eingesetzten Nadelhölzern.
Die Verwendung von Edelkastanienvollholz als konstruktiv tragendes Holz sowie Fachwerkbinder aus Vollholz in einem Gebäude mit solch großer Spannweite ist bisher einmalig. Um grundsätzliche Montageschwierigkeiten auszugleichen, die die Edelkastanie durch ihre Wuchsform und durch die Holzeigenschaften aufweist, wurde für die erforderlichen Spannweiten ein Fachwerk-Dreigelenkrahmen aus Vollholzelementen neu entwickelt und mit bewährten Nadelholzteilen ergänzt. Damit sollen spätere Gebäude und Bauaufgaben technisch überhaupt ermöglicht werden, aber auch kostengünstiger umsetzbar sein. Mit anderen Laubholzarten wurden solche Dreigelenksrahmen bereits realisiert, nicht jedoch mit der Edelkastanie. Durch das neue Gebäude erhofft man sich wichtige Erkenntnisse, was die technischen und statischen Möglichkeiten betrifft. Ein besonderes Augenmerk musste auf die Verbindungstechnik der einzelnen Fachwerkstäbe gelegt werden.
Es konnten beispielsweise keine Stabdübel/Schlitzblechverbindungen aufgrund der Toleranzen im Vollholz, die insbesondere auf die Eigenschaften des Edelkastanienholzes zurückzuführen sind, angewendet werden. Daher hat man gezielt einfach herzustellende Verbindungen, wie beispielsweise Versätze und Dübel besonderer Bauart gewählt.
Zentrale Lager- und Produktionsstätte, Versorgung mit regionalen Produkten aus dem Wald und Zentrum für Umweltbildung
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Ziel des Neubaus des Forsthofs ist es, die Lager- und Produktionsstätten der kommunalen Forstgesellschaft „Trifels Natur“ an einem Ort zu bündeln. Dies wurde durch ein klimafreundliches und klimawandelangepasstes Gebäude in Niedrigenergiebauweise realisiert, das als zentrale Anlaufstelle der Waldwirtschaft fungieren soll. Der Standort in Ortsnähe garantiert eine gute Erreichbarkeit für die örtliche Bevölkerung. Regionale Produkte wie zum Beispiel Wildfleisch, Brennholz sowie selbst hergestellte Naturprodukte kann man dort käuflich erwerben. Der Forsthof soll den Grundgedanken des Biosphärenreservats, nämlich die Verbindung von Mensch und Umwelt, auch durch Informationen über die ökologischen Kreisläufe des Waldes vermitteln. Hierzu verfügt der Forsthof auch über einen barrierefreien Seminarraum.
Klimaschutz durch „Holz der kurzen Wege“
Mit dem klimafreundlichen Neubau des Forsthofs Annweiler konnte nicht nur CO2 eingespart, sondern auch eine regionale Wertschöpfungskette aktiviert werden. So stammt das für den Bau verwendete Edelkastanienholz aus dem eigenen nahegelegenen Wald, der zu 100% PEFC-zertifiziert ist. Die Möglichkeiten Edelkastanie einzuschneiden sind allerdings begrenzt, da viele Sägewerke dafür nicht ausgelegt sind. Der Einschnitt erfolgte somit im benachbarten Frankreich bei der Firma Scierie Lejeune in Siersthal, der High-Tech Abbund des Holzes bei CL Tech in Kaiserslautern. Kurze Transportwege, weniger CO2.
Das Gesamtkonzept des Forsthofs ist sehr fortschrittlich. Eine Wärmepumpe, eine Holzvergaserheizung mit Pufferspeicher und eine Regenwasserzisterne, dazu die Niedrigenergiebauweise im KfW-Effizienz 55-Standard sowie die Außenfassade aus Edelkastanienvollholz leisten weitere signifikante Beiträge im Bereich Ressourcen- und Energieeffizienz. Verglichen mit einem konventionell gebauten und mit Erdgas beheizten Gebäude gleicher Kubatur wird der Forsthof Annweiler jährlich rund 46.000 kWh weniger Energie verbrauchen und kann bis zu 9,2 Tonnen CO2 jährlich einsparen.
Die Gesamtkosten des Neubaus belaufen sich auf ca. 1,5 Mio. Euro. Aus dem Förderprogramm „GReENEFF“ (Grenzüberschreitendes Netzwerk zur Förderung innovativer Projekte im Bereich der nachhaltigen Entwicklung und der Energieeffizienz in der Großregion/INTERREG V A) wurden ca. 82.000 Euro EU-Mittel zur Verfügung gestellt. Ebenso erfolgte eine Förderung in Höhe von 350.000 Euro mit Mitteln des damaligen Ministeriums für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten des Landes Rheinland-Pfalz über die Clusterinitiative Forst und Holz(bau) Rheinland-Pfalz. Die offizielle Einweihung ist für Frühjahr/Sommer 2025 geplant.
Steckbrief:
Name: Forsthof Annweiler
Standort: Annweiler am Trifels
Bauherr: Trifels Natur GmbH
Architektur:
Sieveke Architekten BDA, Trier;
marcbetz architekten, Landau in der Pfalz
Tragwerksplanung:
Pirmin Jung Deutschland GmbH, Remagen
Beteiligte Holzbauunternehmen:
CL Tech, Kaiserslautern/Weilerbach;
Zimmerei Gottschall GmbH/Thaleischweiler-Fröschen
Baujahr: 2020 - 2025
Einweihung: Frühjahr/Sommer 2025
Projektziele:
- Wissensausbau der technischen und statischen Möglichkeiten von Edelkastanienholz als konstruktiv tragendes Bauholz
- Gewährleistung der Zukunftsfähigkeit des Gebäudes durch Energie- und Ressourcenschonung
- Aktivierung der Wertschöpfungskette durch den regionalen Bezug von Baumaterialien wie der heimischen Baumart Edelkastanie
Gefördert durch:
- Förderprogramm „GReENEFF“ in der Großregion INTERREG V A
- Ministerium für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten des Landes Rheinland-Pfalz über die Clusterinitiative Forst und Holz(bau) Rheinland-Pfalz
- KfW-Förderung, IKU – Energieeffizient Bauen und Sanieren (219, 220)